Geträumt, gefangen, gelöffelt: Warum mich meine Träume nicht mehr rauslassen

von Clara Kern, Reporterin für Kernforschung und Bewusstseinslagen

Frankfurt Bahnhofsviertel. Es begann harmlos. Ein bisschen Schlafmangel, ein bisschen zu viel Filterkaffee mit Zimt, ein zu spätes Stück Kirschkuchen in einem schlecht beleuchteten Wohnzimmer. Und dann – war ich plötzlich in einem Stadion. Kein echtes. Ein Traum-Stadion. Riesig, aus Käse, glaube ich. Oder aus Wachs. Es war nicht ganz klar.

Seitdem bin ich gefangen. Nicht körperlich, nein. Mein Körper funktioniert. Ich kann schreiben, essen, Steuern zahlen. Aber mein Bewusstsein? Es weigert sich, den Traum zu verlassen. Jede Nacht lande ich wieder dort. Inmitten eines Events, das ich nicht verstehe. Man hat mich eingeladen. Ich habe keine Karte. Ich bin nur da. Ich bin „Teil des Programms“, sagen sie.

Traum oder Parallelrealität?

Wissenschaftler nennen es „luzides Träumen“. Ich nenne es: Dienstreise ins Ungefähre. In einer dieser Nächte stand ich auf einer Bühne, bekleidet mit einem Mantel aus Staub und Spinat. Das Publikum bestand aus Möbelstücken. Ein Sessel klatschte. Ich verbeugte mich. War das Anerkennung? Oder der Anfang vom Ende?

Ich sprach mit Prof. Dr. Leonhard Mühsam, Schlafforscher aus Jena, der mir in einem Zoom-Interview nüchtern erklärte: „Was Sie beschreiben, ist nicht ungewöhnlich. Das Gehirn verarbeitet Erlebtes, Unterbewusstes und –“ Hier brach die Verbindung ab. Als ich ihn zurückrufen wollte, hatte sich mein Telefon in eine Eidechse verwandelt. Oder das war auch ein Traum. Ich bin mir nicht sicher.

High oder hellwach?

Es gibt Theorien, dass unser Bewusstsein auf mehreren Ebenen gleichzeitig existiert. Es gibt auch Theorien, dass man nach drei Tagen ohne Schlaf beginnt, mit Obst zu diskutieren. Ich weiß nur: Der gestrige Traum roch nach Banane, aber niemand hatte eine dabei. Stattdessen reichten mir freundliche Menschen mit Käferaugen einen Löffel. Der Löffel war warm. Ich habe ihn genommen.

„Wir sehen das oft bei Menschen mit leichtem Fieber und schlechtem WLAN“, sagt eine Pflegekraft, die anonym bleiben möchte. „Aber ganz ehrlich – was ist schon real? Haben Sie mal einen Montagmorgen erlebt?“ Ich nickte. Wir umarmten uns. Ich war wieder allein.

Träume als kollektives Event?

Je länger das andauert, desto mehr Menschen treffe ich dort. Ein Postbote aus Köln, der davon träumt, dass seine Briefe ihm antworten. Eine Friseurin aus Hamm, die in der Traumwelt ausschließlich Schafe frisiert. Sie alle haben denselben Blick. Dieses „Bin ich wirklich wach, wenn ich wach bin?“ im Gesicht.

Manche Träume scheinen organisiert. Es gibt Ränge. Applaus. Einen Souvenirstand. In einem besonders klaren Moment fragte ich einen Mann im roten Overall, ob das alles wirklich passiere. Er antwortete: „Nichts davon ist real. Außer dem Eintrittspreis.“ Dann verschwand er in einem Flur aus Sellerie.

Zurück in der Redaktion

Ich schreibe diesen Text aus meinem Büro. Es riecht nach Druckertinte und Pfefferminztee. Aber irgendwo hinter meinem Bildschirm spüre ich es: das Stadion. Es wartet. Vielleicht war ich nie wirklich weg. Vielleicht sind auch Sie, liebe Leserin, lieber Leser, längst Teil davon. Vielleicht sitzen Sie auf der Tribüne, lesen gerade diese Zeilen, und gleich hebt jemand eine Trompete aus Toastbrot.

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur: Ich muss heute Nacht wieder hin. Man hat mir gesagt, ich bin „dran mit Erzählen“.

Fazit: Schlafen Sie gut. Aber seien Sie vorbereitet.

Die Traumwelt ist mehr als ein Ort zum Entspannen. Sie ist eine Einladung. Oder eine Warnung. Oder eine Bühne für ein Theaterstück, das niemand geschrieben hat, aber alle mitspielen.

Und manchmal reicht ein Löffel Kirschkuchen, und plötzlich sitzen Sie da – zwischen Käsewänden, auf der Gästeliste eines Bewusstseins, das nicht Ihres ist. Vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Aber bitte: Bringen Sie einen Löffel mit. Man weiß nie.

Kommentare:

Heidemarie W., Lüneburg
13.07.2025, 07:42 Uhr
Ich träume seit Jahren denselben Traum, in dem ich an einem überdimensionalen Scanner vorbeigehen muss, aber mein Ticket ist immer ein Kohlkopf. Dass jetzt endlich jemand darüber schreibt, dass wir dort Teilnehmer sind und nicht Zuschauer, berührt mich sehr. Danke, Frau Kern. Bleiben Sie stark, und trinken Sie keinen Apfelsaft nach 21 Uhr.

@MilchglasKollektiv
13.07.2025, 10:28 Uhr
Das ist keine Satire. Das ist ein durchgesickertes Protokoll. Ich erkenne die Muster. Traumebene 3, mittlerer Zugang, flüssige Zeitstruktur, fragmentiertes Bewusstsein. Ich war dort, 2019. Habe dort ein Hühnchen mit dem Müsli-Gott zu rupfen. Niemand hat mir geglaubt. Jetzt vielleicht.

Lisa R. aus dem Zug
13.07.2025, 12:30 Uhr
Gerade im ICE nach Hamburg. Der Schaffner ist exakt der Mann mit dem roten Overall aus Ihrem Text. Ich habe kein Ticket, aber er sagte: „Heute zählt nur Bewusstsein.“ Muss ich jetzt träumen, um gültig zu reisen?

Jannis K., anonym (Kommentar gelöscht, wiederhergestellt)
13.07.2025, 15:07 Uhr
Ich war da. Ich hab den Toast-Trompeter gesehen. Ich habe geklatscht. Ich war stolz. Ich habe meine Schlüssel in der Traumwelt vergessen. Seitdem komme ich nicht mehr in meine Wohnung.

Nachtrag der Redaktion

Die Redaktion möchte an dieser Stelle betonen, dass es sich bei dem Artikel „Geträumt, gefangen, gelöffelt“ um eine persönliche Erlebnis- und Reflexionsschilderung unserer Reporterin Clara Kern handelt. Die Inhalte basieren nach aktuellem Kenntnisstand nicht auf überprüfbaren Fakten, sondern auf subjektiven Wahrnehmungen, möglicherweise beeinflusst durch Schlafmangel, Pfefferminztee in bedenklicher Dosierung sowie eine ungewöhnlich lange Sitzung im Redaktionssitzsack.

Wir möchten ausdrücklich klarstellen, dass die Existenz eines „Traumstadions“, „Toast-Trompeten“ oder „Souvenirstände im REM-Schlaf“ derzeit wissenschaftlich nicht bestätigt ist. Ebenso raten wir davon ab, aus Traumfragmenten rechtlich bindende Entscheidungen abzuleiten oder Möbelstücke zu befragen.

Die Redaktion distanziert sich nicht grundsätzlich von Träumen, wohl aber von deren Nutzung als journalistische Quelle ohne ausreichende Einordnung.

Wir arbeiten mit Hochdruck daran, herauszufinden, wie dieser Text das CMS passieren konnte und bitten um Verständnis, sollte es in den nächsten Ausgaben vermehrt zu Inhalten kommen, die sich an der Grenze zwischen Recherche und Realitätsverschiebung bewegen.

In der nächsten Ausgabe:
„Der Mann in meinem Kühlschrank – Ein Gespräch über innere Kälte und abgelaufene Emotionen“